Bei ihrem Versuch, sich als Speerspitze der sogenannten »Digitalisierung« an Redaktionen und Wähler*innen zu verkaufen, ist die FDP Nordrhein-Westfalen am Wochenende mit gewohnter marktradikaler Selbstbezogenheit über ihre eigenen Füße gestolpert.
In einem Tweet, den sie auf ihrem Account @fdp_nrw am Samstag veröffentlichte, behauptet der FDP-Landesverband, sein im elektronischen Weg durchgeführter Mitgliederentscheid über die Zustimmung zum Koalitionsvertrag mit der CDU für die 17. Legislatur des Landtages Nordrhein-Westfalen sei der erste »in der deutschen Parteiengeschichte, der »nur online« durchgeführte wurde.

Als erste Bundespartei mit ständiger Online-Mitgliederversammlung und mit unserer langen Erfahrung mit deren fachlichen Umsetzung und Durchführung wissen wir – das Glitzerkollektiv –, dass die FDP mit dieser Behauptung falsch liegt, denn das Glitzerkollektiv betreibt seine ständige Online-Mitgliederversammlung seit dem Sommer 2015 und hat seither dort knapp 500 Initiativen (d.h. Vorlagen) bearbeitet.
Wir haben den FDP-Landesverband in Nordrhein-Westfalen deshalb am 25. Juni 2017 zum Widerruf und zur Unterlassung seiner Falschbehauptung aufgefordert.
Bereits am 23. Juni 2017 hatten wir uns in einem Blogartikel auf der Website des Glitzerkollektivs kritisch zu fachlichen und formalen Aspekten des Mitgliederentscheids der FDP geäußert.
Die Behauptung des FDP-Landesverbandes ist mindestens deshalb unzutreffend, weil das Glitzerkollektiv seit dem Jahr 2015 eine ständige Online-Mitgliederversammlung betreibt, deren stimmberechtigte Grundgesamtheit – nämlich die Mitglieder der Partei – und deren verbindliche Wirkung derjenigen des jüngsten Mitgliederentscheides der FDP Nordrhein-Westfalen entspricht. Daraus ergibt sich der Unterlassungsanspruch des Glitzerkollektivs gegen die FDP Nordrhein-Westfalen.
Auch einzelne Landesverbände der Piratenpartei hatten in den Jahren 2013, 2014 und 2015 ständige (Online-)Mitgliederversammlungen betrieben, die die selben Kritierien wie der Mitgliederentscheid des FDP-Landesverbandes erfüllt.
- Aktualisierung 28. Juni 2017
- Der Landesverband Baden-Württemberg von Bündnis 90 / Die Grünen hatte bereits vom 24. November bis zum 3. Dezember 2000 einen »virtuellen Parteitag« durchgeführt, bei dem verbindliche Beschlüsse gefasst wurden, allerdings nur die Delegiertenversammlung des Landesverbandes stimmberechtigt war. Der Landesverband hatte dieses Modell jedoch nicht weiter verfolgt. Die in diesem Zusammenhang entstandenen rechtswissenschaftlichen Arbeiten haben auch zur Umsetzung der ständigen Online-Mitgliederversammlung des Glitzerkollektivs beigetragen.
Vertreter*innen der FDP Nordrhein-Westfalen hatten in der Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen mehrfach darauf hingewiesen, dass sie Recherchen dazu durchgeführt hätten, ob es sich bei ihrem Mitgliederentscheid um eine Premiere handelt?
Morgen wird der #Koalitionsvertrag mit der @CDUNRW_de vorgestellt. Dann Deutschlandpremiere bei der @fdp_nrw! #NRW #NRWKoalition #ltwnrw17 pic.twitter.com/j7dr2MpxBl
— FDP NRW (@fdp_nrw) 15. Juni 2017
Wir haben deshalb Grund zu der Annahme, dass der FDP-Landesverband die Öffentlichkeit gezielt über den Charakter seines Mitgliederentscheides täuscht.
Die Abstimmungsbeteiligung beim Online-Mitgliederentscheid der FDP Nordrhein-Westfalen über den Koalitionsvertrag mit der CDU war auffällig schlecht ausgefallen: Nur rund 40 % der stimmberechtigten Mitglieder des Landesverbandes hatten sich daran beteiligt.
Beim Mitgliedervotum der SPD im Jahr 2013 über den Koalitionsvertrag mit der CDU auf Bundesebene, das ausschließlich in Papierform (!) durchgeführt wurde, lag die Abstimmungsbeteiligung bei rund 75 % der stimmberechtigten Mitglieder.
Der im elektronischen Weg durchgeführte Mitgliederentscheid der FDP Nordrhein-Westfalen erreichte also nur etwas mehr als die Hälfte der Abstimmungsbeteiligung des SPD-Mitgliedervotums.
Wir haben der FDP Nordrhein-Westfalen Frist bis zum Donnerstag, den 29. Juni 2017, 10 Uhr, gesetzt, um ihre Falschbehauptung von Samstag zu widerrufen.
Bei Fragen zu fachgerechter Umsetzung innerparteilicher Online-Beteiligungsmodelle steht das Glitzerkollektiv mit seiner langen fachpolitischen Erfahrung gern zur Verfügung.
Wer ist das Glitzerkollektiv?
Wir sind:
- die erste Bundespartei mit ständiger Online-Mitgliederversammlung;
- die erste Bundespartei, die politische Arbeitsteilung mit dem Werkzeug der Fließenden Demokratie (Liquid Democracy) in verbindlicher Beschlussfassung umsetzt;
- die erste Bundespartei, deren Mitglieder politische Verantwortung durch die umfassende Verwirklichung des Publizitätsgrundsatzes übernehmen: Mit dem Gesicht zu allen Menschen, in deren Namen wir handeln; und
- die erste Bundespartei, die über mehrjährige, dauernde Praxis mit verbindlichem, innerparteilichem eVoting verfügt.
Mit unserer Erfahrung aus der Praxis wirken wir mit am Ausbau einer inklusiven Demokratie und an der Gestaltung eines demokratischen Staats- und Gemeinwesens, das allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht:
Möglichst viele Menschen sollen ungeachtet ethnischer Zugehörigkeit, nationaler und sozialer Herkunft, Sprache und Religion an der politischen Willensbildung teilhaben.
Wir wollen mit unseren demokratischen Verfahren und politischen Zielen Vorbild sein für andere Organisationen und Parteien. Unsere Erfahrung teilen wir mit allen, die am Aufbau eines demokratischen, solidarischen und emanzipatorischen Gemeinwesens mittun – auch über die Grenzen politischer Organisationen hinweg, ungeachtet dessen, ob wir mit ihnen in einem allgemeinen politischen Wettbewerb stehen.
Das Spielerische, Sinnliche, Solidarische und Suchende unseres Namens steht für zukunfts-optimistische Politik, die sich an einem positivem Menschenbild orientiert.